Unser Praktikum an der Primary School des MECH in Madina (05. bis 27. September 2010)

 

(Bericht von Alexander Lauber, veröffentlicht am 06. Oktober 2011)


Während unseres Aufenthaltes im September 2010 in Sierra Leone war es Philipp und mir möglich, an der Primary School des Waisenhauses in Madina ein Praktikum zu absolvieren. Wir beide waren zu diesem Zeitpunkt Studenten der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und haben mittlerweile im Sommer 2011 unser Studium mit dem Ersten Staatsexamen abgeschlossen. Ich selbst war während des Studiums schon einmal auf dem afrikanischen Kontinent und habe 2008 ein Praktikum an einer Schule in Ghana absolviert und bin seither von Möglichkeiten wie dieser begeistert. Bei solchen Gelegenheiten lehrt man nicht nur Kinder anderer Länder. Ich selbst konnte auch für die persönliche Entwicklung einiges mitnehmen und viel von den Kindern und Lehrern vor Ort lernen. Es entsteht also eine Win-Win-Situation.

 

Im Vergleich zu Deutschland kommt die Primary School etwa der Grundschule am nächsten. In der Kolonialzeit wurde nicht nur die allgemeine Amtssprache Englisch eingeführt, sondern auch das Schulsystem der Engländer übernommen. Das bedeutet, dass die Kinder, ähnlich wie bei uns, im Alter von ca. sechs Jahren in die Primary School kommen und dann jedoch anstatt vier Jahre wie in Deutschland, sechs Schuljahre lang dort unterrichtet werden. Eine Abschlussprüfung bestimmt dann über das Weiterkommen an die Secondary School.

 

Die Situation in Madina stellt sich so dar, dass sich die Primary School auf dem Gelände des Waisenhauses befindet und mit fünf Klassenzimmern eigentlich eines zu wenig hat für sechs Klassen. Dieses „Problem“ wird hier so gelöst, indem die Klassen Fünf und Sechs zusammen unterrichtet werden. Das bedeutet, dass die fünfte Klasse mit relativ hohen Ansprüchen klarkommen muss, während die sechste Klasse dafür ein Wiederholungsjahr für die Schülerinnen und Schüler ist. Diese Tatsache ist jedoch kein Nachteil, sondern macht sich vor allem in den guten Abschlussprüfungen positiv bemerkbar: So hatte die Primary School des MECH im Schuljahr 2009 – 2010 hundert Prozent erfolgreiche Schulabgänger, also keine Kinder, die die Abschlussprüfung nicht bestanden haben.

 

Dazu muss man sagen, dass hier nicht nur Kinder vom Waisenhaus auf die Schule gehen, sondern auch Schülerinnen und Schüler aus dem Dorf Madina selbst die Schule besuchen. Durch die Begebenheit, dass diese Primary School keine staatliche Schule ist, wird sie natürlich nicht in dem Maße gefördert wie die Secondary School. Zum Beispiel sind die Schuluniformen für die Kinder an der Secondary School obligatorisch, wohingegen die Kinder der Primary School nicht verpflichtet sind, eine Schuluniform zu tragen. Familien, die sich keine Schuluniform leisten können, haben hier trotzdem die Möglichkeit, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Die staatliche Secondary School verlangt außerdem für jedes Kind Schulgebühren, die für das Waisenhaus eine große finanzielle Belastung darstellen. Das wiederum bringt finanzielle Nachteile, die das Management des Waisenhauses in anderer Weise ausgleichen muss.

 

Während unseres Praktikums erzählten uns sowohl die Lehrer, als auch Mr. Bangura, dass das Lehrpersonal niemals durchgehend bezahlt werden kann. Während unserer dreieinhalb Wochen Praktikum war es der Fall, dass die jungen Männer und Frauen keine Entlohnung für ihre Lehrtätigkeit bekamen. Aus diesem Grund waren meistens auch nur zwei oder drei Lehrer und Lehrerinnen anwesend. Verständlich, wenn man bedenkt, dass diese auch Familie und Kinder haben, die ernährt werden müssen. Prioritäten werden unter solchen Umständen natürlich differenziert gesetzt. Sie erzählten uns, dass die Kinder ihnen persönlich am Herzen lägen – in einem kleinen Dorf wie Madina kennt man sich eben – und dass sie deshalb auch diese Situation unterstützen wollen, jedoch gibt es auch im eigenen Haushalt, im Feld oder der Familie dann Tage, an denen sie zu Hause gebraucht werden.

 

Doch von der allgemeinen Situation zu meinen persönlichen Erfahrungen:
Wie schon im Bericht „Wie wir zum Engagement gekommen sind“ beschrieben, sind wir überaus freundlich, beinahe schon euphorisch empfangen worden. Jüngere Kinder waren fasziniert von unserer Hautfarbe, streichelten uns über die Hände, um herauszufinden, ob wir uns anders anfühlten. Mit den älteren Kindern konnten wir uns dann auch unterhalten. In Sierra Leone werden 23 verschiedene Sprachen gesprochen. Unglaublich, wenn man bedenkt, dass das Land eine Fläche hat, die in etwa vergleichbar mit unserem Bundesland Bayern ist. Während die Amtssprache Englisch ab dem ersten Schuljahr gelehrt wird, sprechen die Kinder und Erwachsenen zu Hause für gewöhnlich ihre ursprüngliche Stammessprache. In dieser Region ist dies das „Limba“. Für uns natürlich eine Herausforderung, doch Sie glauben gar nicht, wie gut man ohne Sprache kommunizieren kann, wenn man sich erst einmal daran gewöhnt. Dennoch: Diese Begebenheit schloss es natürlich von vorne herein aus, dass Philipp und ich unterhalb der Klasse Vier unterrichten konnten. Wir entschieden gemeinsam mit dem Lehrerkollegium, dass wir uns um die Fächer „Social Studies“, „Health Education“ und „Sports“ kümmern würden. Zusätzlich haben wir natürlich auch ein wenig „Deutsch“ unterrichtet, was allen eine Menge Spaß bereitete.

 

Doch mit Unterricht war in der ersten halben Woche erstmal gar nichts! Für die Kinder stand erst einmal die Säuberung des Schulgeländes an. Das Gebäude steht im Grünen und war auf dem Schulhof mit verschiedenem Unkraut bewachsen. Im Gegensatz zu uns zeigten sich die Kinder jedoch überhaupt nicht überrascht, hatten doch einige ihre Macheten von zu Hause mitgebracht und alle halfen traditionsgemäß ohne Widerworte mit, ihre Schule zu säubern. Sowohl die Innenräume als auch der Hof wurden in mehrtägiger Arbeit gesäubert. Vielleicht wäre das ja auch für die Schulen hier in Deutschland eine Bereicherung!? Für die Gemeinschaftsklasse Fünf und Sechs sollte diese Putzaktion jedoch schon nach zwei Tagen beendet sein, denn die Rektorin gönnte ihnen und ihren zwei neuen Lehrern Zeit um sich kennen zu lernen.

 

Wir stellten uns vor, erzählten von unserem Studium, von unserem Leben und von dem Land aus dem wir kommen. Die Kinder waren sehr interessiert und weil wir uns schnell gut verstanden, haben wir am ersten Tag auch schon eine Unterrichtsstunde eingelegt. Das Fach war Deutsch. Von da ab begrüßten uns einige Schülerinnen und Schüler täglich mit einem „Guten Morgen“ und verabschiedeten sich mit „Auf Wiedersehen“ oder „Tschüss“.

 

Das Fach „Social Studies“ ist eine Mischung aus Gemeinschaftskunde, Geschichte, Politik und Erdkunde. Auf dem Lehrplan, den Philipp und ich bekamen stand das Kennenlernen der Nachbarländer Guinea und Liberia. Schulbücher sind dort jedoch Mangelware. So gibt es pro Fach, pro Klasse ein Schulbuch, aus dem der Lehrer seinen Unterrichtsstoff entnimmt. Da wir ja durch unsere Reise mit dem Auto auch einige Reiseführer dieser Nachbarländer parat hatten, waren wir natürlich auch mit eigenen Informationsquellen für diese Unterrichtseinheit ausgestattet. So wurden Einwohnerzahlen, Flaggen, Flächen, Sprachen und Währungen verglichen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgestellt, immer auch mit einem kleinen Blick auf unser Herkunftsland Deutschland. Die Kinder arbeiteten sehr gut mit, waren konzentriert und interessiert bei der Arbeit.

 

Im Fach „Health Education“ ging es bei unserer Unterrichtseinheit hauptsächlich um das Kennenlernen von örtlichen Krankheiten und wie man verhindert, daran zu erkranken. Symptome von Malaria, Hautinfektionen, Bilharziose (eine Wurmkrankheit), HIV / AIDS, Meningitis, Durchfall und anderen Krankheiten wurden herausgestellt und Vermeidungsstrategien erklärt. Natürlich waren die Kinder sehr interessiert daran, schließlich hat auch in Sierra Leone niemand Lust daran, wegen einer Krankheit im Bett zu bleiben.

 

Den Tagesabschluss in der Schule bildeten meistens kleine Fußballspiele auf dem Hof, bei denen sowohl die Mädchen und auch die Jungen eine Menge Spaß hatten.

 

Interessant waren die Feststellungen, die wir während unser Unterrichtsstunden machten: Schon alleine der Altersunterschied in unseren beiden Klassen war teilweise bemerkenswert groß. So war unser ältester Schüler in der sechsten Klasse schon 15 Jahre alt, was daran liegt, dass er durch Nachwirkungen des Krieges erst spät in die Schule eingetreten ist. Da Mr. Bangura jedoch sehr viel Wert auf Bildung legt, ist es für alle Waisenkinder und die anderen Pflicht, mit Klasse Eins anzufangen, egal in welchem Alter man ist. Jeder soll die gleiche Bildung bekommen und somit nach der Schule die gleichen Weiter- oder Ausbildungschancen haben.

 

In unserer Gemeinschaftsklasse war außerdem bei vielen Schülerinnen und Schülern ein sehr differenziertes Lern-, Lese- und Schreibtempo zu erkennen, was unseren Schulstunden eine sehr genaue Planung abverlangte, mussten wir doch die Kinder, die ein schnelleres Leistungstempo verinnerlicht hatten weiterhin beschäftigen, während die Langsameren in der Klasse noch nicht ganz mit der Übung vorher fertig waren.

 

Alles in Allem waren es sowohl für die Lehrer und Lehrerinnen, für die Kinder vor Ort und aber vor Allem auch für uns beide dreieinhalb Wochen spannender Erfahrungen. Sicherlich eine Zeit aus der alle Beteiligten für ihren eigenen Werdegang profitieren konnten. Eine komplett andere Unterrichtssituation in einem weit entfernten Land, die uns vor neue und interessante Herausforderungen stellte – ich würde es auf keinen Fall missen wollen.

 

Sie sind Lehramtsstudent und haben Interesse daran, eines Ihrer Blockpraktika in Sierra Leone an unserem Waisenhaus zu absolvieren? Schreiben Sie uns über das Kontaktformular. Für nähere Informationen, Hilfe bei der Planung und Betreuung vor Ort stehen wir gerne zur Verfügung. Natürlich bekommen Sie von der Schule eine Bescheinigung, dass Sie ein Praktikum absolviert haben.

 

 

 

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